Das Ziel eines Einkreuzprojektes ist, die genetische Vielfalt, die in der geschlossenen Population einer Rasse stark eingeschränkt ist, zu erhöhen. Die Fortpflanzungsgemeinschaft der Kromfohrländer ist vergleichsweise klein und hat sich zudem aus lediglich drei Gründertieren entwickelt. Peter und Fiffi hatten zwischen 1947 und 1954 sieben Würfe miteinander, aus denen neun Hunde in das Zuchtbuch eingetragen wurden, drei davon hatten Nachkommen mit Zuchtbucheinträgen, gingen also in die Weiterzucht. Diese dürften über eine ausgesprochen hohe genetische Varianz verfügt haben, denn ihre Eltern lagen verwandtschaftlich wohl sehr weit auseinander, wie es bei Hunden unterschiedlicher Rassezusammensetzungen in aller Regel der Fall ist. Daneben verfügten sie über ein einheitliches Erscheinungsbild, welches die Grundlage des ersten Rassestandards definierte. Wie bereits beschrieben gab es in den Folgegenerationen Abweichungen von diesem Standard, so dass es bereits frühzeitig zu Selektionen kam. Nur die „typischen“ Kromfohrländer kamen in die Weiterzucht, so dass sich die genetische Vielfalt immer weiter reduzierte. Die einzige „Auffrischung“ kam 1960 durch die stammbaumlose Foxterrierhündin Elfe hinzu. Seitdem wurde in einer geschlossenen Population gezüchtet, bis es 50 Jahre später zum ersten Einkreuzprojekt kam.
Geringe genetische Varianz kann schwere gesundheitliche Folgen haben. Frau Dr. Irene Sommerfeld-Stur hat das auf ihrer Internetseite und in ihrem Buch sehr anschaulich ausgeführt, hier in Auszügen:
Genetische Varianz – was bedeutet das eigentlich?
Die Erhaltung der genetischen Varianz als eines der wichtigsten Ziele der modernen Hundezucht ist ein immer wieder gehörter und weitgehend akzeptierter Anspruch an aktuelle Zuchtstrategien. Die Umsetzung dieser Forderung ist aber gerade in den heutigen Rassepopulationen oft mit großen Schwierigkeiten verbunden und zum Teil gar nicht möglich, ohne mehr oder weniger weitgehende Einschränkungen bei anderen Zuchtzielen in Kauf zu nehmen. Sehr oft überwiegen daher bei individuellen züchterischen Entscheidungen die klassischen und bewährten Zuchtstrategien der Selektions- und Linienzucht. Die damit verbundene Reduktion der genetischen Varianz wird in Kauf genommen – sehr oft, weil die Vorteile der Erhaltung der genetischen Varianz nicht so klar und offensichtlich sind wie die Vorteile einer Paarung unter Aspekten der Selektionszucht.
Und fatalerweise ist es tatsächlich so, dass die Vorteile der Varianzerhaltung in erster Linie längerfristig die Population betreffen, während die Vorteile einer individuellen Selektions- oder Anpaarungsentscheidung sich direkt in der phänotypischen Qualität der Nachkommen ausdrücken. Und ebenso fatalerweise führen oft gerade züchterische Entscheidungen, die im Interesse der Gesundheit der Nachkommen liegen, zu einer Verschärfung der Situation der genetischen Vielfalt.
Das Problem ist, dass jede Form von Selektion bedeutet, dass bestimmte Tiere nicht zur Zucht verwendet werden, während dafür andere in verstärktem Ausmaß verwendet werden. Und das führt automatisch zu einer Zunahme der Homozygotie und damit zu einer Reduktion der genetischen Varianz in der Population. Auf welcher Basis eine Selektionsentscheidung getroffen wurde, ist dabei nebensächlich. Das heißt, dass sowohl die Bevorzugung eines bestimmten Rüden auf Grund seiner Ausstellungserfolge als auch der Zuchtausschluss eines anderen Rüden auf Grund eines ungünstigen HD- oder Augenbefundes grundsätzlich die gleichen Auswirkungen auf die genetische Vielfalt hat.
Damit liegt aber auch das Grundproblem moderner Rassepopulationen klar auf der Hand. Die meisten Rassen sind mit ein oder mehreren genetisch bedingten Gesundheitsproblemen in mehr oder weniger starkem Ausmaß belastet. Und in jeder Rasse gibt es dazu eine mehr oder weniger intensive Selektion auf Formwert-, Leistungs- und besonders in der letzten Zeit auch auf Wesensmerkmale.
Es entspricht also nahezu der Quadratur des Kreises, die Forderung nach Erhalt der genetischen Vielfalt mit den ebenfalls vielfältigen Selektionszuchtzielen unter einen Hut zu bringen. Die einzige Möglichkeit, dieses Problem halbwegs erfolgreich zu lösen, bietet die Erarbeitung rassespezifischer Zuchtstrategien, die die individuelle Situation der einzelnen Rassezuchtpopulationen berücksichtigen und dabei alle Möglichkeiten der modernen Genetik ausschöpfen. Eine Aufgabe jedenfalls, die ohne entsprechende qualifizierte Beratung für die Zuchtverbände kaum zu lösen ist.
Stellen Sie sich einmal einen Werkzeugkasten vor. Es ist ein spartanisch ausgestatteter Werkzeugkasten, Billigangebot von einem Billigdiscounter. Und dieser Werkzeugkasten enthält jedes Werkzeug nur in einer bestimmten Größe bzw. Form. Einen Schraubenzieher, einen Schraubenschlüssel, einen Hammer, eine Zange, Nägel und Schrauben nur in einer Größe. Klar, dass man mit so einem Werkzeugkasten nicht viel anfangen kann. Für kleinere Reparaturen, bzw. für Arbeiten, bei denen genau die vorhandenen Werkzeuge passend sind, mag er geeignet sein, aber für jede anspruchsvollere Arbeit ist er schlichtweg ungeeignet.
Und jetzt stellen Sie sich einen anderen Kasten vor. Der ist bestens ausgestattet. Enthält jedes Werkzeug in allen gängigen Größen und Varianten. Klar, dass man mit so einem Werkzeugkasten alle handwerklichen Arbeiten problemlos erledigen kann.
Zwischen dem ganz spartanisch ausgestatteten Kasten und dem Elitewerkzeugsortiment gibt es natürlich auch noch Zwischenstufen mit mehr oder weniger vollständiger Auswahl an Größen und Varianten. Aber klar ist: je größer die Auswahl an Werkzeugen unterschiedlicher Größe und Form, umso vielfältiger sind die Einsatzmöglichkeiten des Werkzeugkastens.
Und genau so sieht es mit der genetischen Ausstattung aus. Gene sind – vereinfacht betrachtet – nichts anderes als Aufbauanweisungen für Proteine verschiedenster Funktion, die praktisch diejenigen Werkzeuge darstellen, die der Organismus braucht, um zu funktionieren. Und je größer die Auswahl an diesen genkodierten Werkzeugen ist, umso besser funktioniert der Organismus unter den unterschiedlichsten Bedingungen. Spartanisch ausgestattete Organismen – das sind solche mit geringer genetischer Varianz, die zwar alle notwendigen Werkzeuge besitzen, aber jedes nur in einer ganz bestimmten Form oder Größe, können unter bestimmten Bedingungen durchaus funktionieren. Nämlich dann, wenn für die entsprechende Umwelt genau die richtigen und geeigneten Werkzeuge vorhanden sind. Ändert sich aber die Umwelt und damit die Anforderungen an die Werkzeuge, dann kommt es zu Funktionsstörungen – das Tier wird krank.
(...) Nehmen wir ein hypothetisches Beispiel: Ein Enzym, das für die Bereitstellung von Energie für die Arbeit der Muskulatur verantwortlich ist, kommt in zwei Varianten vor, die sich durch ihre Temperaturempfindlichkeit unterscheiden. Variante A funktioniert am besten in einem Körpertemperaturbereich zwischen 36,5°C und 38,2°C, Variante B hat ihr Umweltoptimum in einem Temperaturbereich zwischen 37,4°C und 39 °C. Beide Enzymvarianten verlieren an Aktivität, wenn die Körpertemperatur über bzw. unter ihren individuell optimalen Wirkungsbereich steigt bzw. sinkt. Bei einem Hund, der homozygot ist für die Variante A, wird das Enzym und damit die Energieversorgung der Muskulatur so lange funktionieren, wie seine Körpertemperatur nicht über 38,2°C steigt. Bei leichtem Fieber wird dieser Hund aber eine mehr oder weniger ausgeprägte Schwäche der Muskulatur zeigen. Ein Hund, der homozygot ist für die Variante B, wird hingegen bei einer Unterkühlung, die seine Körpertemperatur auf unter 37,4°C absenkt, mit Muskelschwäche reagieren. Die besten Karten hat ein heterozygoter Hund, der beide Varianten des Enzyms hat. Der wird sowohl bei etwas niedrigerer als auch bei etwas erhöhter Körpertemperatur seine volle Muskelkraft umsetzen können. (...)
Je größer die Vielfalt an Werkzeugen, die ein Organismus besitzt, umso besser kann er sich mit wechselnden Umweltbedingungen richtig auseinandersetzen. In der Praxis bedeutet das, dass ein Hund z.B. mit Futterumstellungen besser zurecht kommt, mit Infektionen besser fertig wird, aber auch Stress oder psychische Belastungen besser bewältigen kann.
Das, was für das Einzeltier gilt, gilt sinngemäß auch für eine Population. Je größer die genetische Vielfalt in einer Population ist, umso besser kommt eine Population mit Änderungen der Umwelt zurecht. Jede intensive Selektion auf lokal bzw. zeitlich aktuelle Umweltbedingungen führt hingegen zu Anpassungsproblemen, wenn sich diese Bedingungen einmal ändern.
Die Probleme, die sich aus dem fehlenden Anpassungsvermögen des Hundeorganismus an wechselnde Umweltbedingungen ergeben, sind heute schon Alltag in der tierärztlichen Praxis. So ist die teils erschreckende Zunahme an immunologischen Problemen verschiedenster Art sicher zumindest teilweise in kausalem Zusammenhang mit zunehmender genetischer Verarmung vieler Rassehundepopulationen zu sehen. Auch Fruchtbarkeitsstörungen und reduzierte Lebenserwartung sind genauso wie die ständig steigende Frequenz von genetischen Defekten als Folgen der genetischen Verarmung zu interpretieren.
Wie sieht nun die Lösung aus. Wie bei den meisten anderen züchterischen Problemen gibt es weder eine allgemeingültige noch eine Patentlösung. Der von manchen geforderte Weg des unkritischen Outcrosses bzw. der Verzicht auf jede Form von Selektion oder Linienzucht mag ein Ansatz sein, sicherlich aber nicht im Sinne einer Erhaltung der Rassehundezucht.
Will man die Rassehundezucht als solche erhalten, gilt es für jede Rassepopulation spezielle auf die jeweilige Populationssituation spezifisch zugeschnittene Lösungsansätze zu erarbeiten.
Es gibt eine Reihe von züchterischen Instrumenten, die in diesem Zusammenhang genutzt werden können. Dazu zählen klassische Instrumente wie die Berücksichtigung des Inzuchtkoeffizienten oder des Ahnenverlustkoeffizienten bei der Auswahl der Paarungspartner, Decklimitierung für Rüden, Vergrößerung der Zuchtpopulation durch Immigration aus anderen Populationen (in Form eines Einkreuzprojektes), aber auch neuere Verfahren, die u.a. auch im Sinne der Erhaltung der genetischen Varianz genutzt werden können. Dazu zählen die Methoden der Zuchtwertschätzung, Selektion nach einem Selektionsindex, Einsatz molekulargenetischer Diagnoseverfahren oder die instrumentelle Samenübertragung (letzteres z.B. für Verpaarungen von Hunden mit sehr großer räumlicher Entfernung, bei denen eine nähere Verwandtschaft unwahrscheinlicher ist, oder auch nach dem Konservieren von Sperma über die Zeugungsfähigkeit des Deckrüden hinaus, wenn man noch genauere Erkenntnisse über seine Gesundheit im höheren Alter bzw. seine Lebensdauer haben kann).
Sinnvoll und überlegt eingesetzt bieten alle diese Zuchtmethoden die Möglichkeit, die genetische Varianz einer Population soweit wie möglich zu erhalten oder sogar zu erweitern, und das bei gleichzeitiger Berücksichtigung sonstiger rassespezifischer Zuchtziele.
(Dr. Irene Sommerfeld-Stur - https://sommerfeld-stur.at)
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